Online-AU-Bescheinigung: Ist eine digitale Krankschreibung rechtsgültig?
Immer mehr Telemedizin-Plattformen ermöglichen die Beantragung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ohne persönlichen Praxisbesuch.
Doch wie rechtskräftig sind solche ärztlichen Atteste, und müssen Arbeitgeber sie akzeptieren?
Dieser Beitrag erklärt den aktuellen rechtlichen Stand – praxisnah, fundiert und auf Grundlage der geltenden Richtlinien und Rechtsprechung.
1. Rechtsgrundlage und Voraussetzungen
Nach § 4 Abs. 5 der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL) des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) gilt:
„Eine ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit darf nur nach persönlicher, telefonischer oder video-basierter ärztlicher Befragung erfolgen.“
Eine reine Selbstauskunft oder textbasierte Online-Anamnese ohne ärztliche Rücksprache genügt diesem Standard nicht.
Die ärztliche Feststellung ist ein höchstpersönlicher Vorgang,
der die individuelle Beurteilung des Gesundheitszustands voraussetzt.
Portale, die ausschließlich Fragebögen auswerten, bewegen sich daher in einer rechtlichen Grauzone.
2. Elektronische Übermittlung und Transparenzproblem
Bei der elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) wird die ärztliche Bescheinigung über Arbeitsunfähigkeit direkt von der Arztpraxis an die
Krankenkasse übermittelt. Der Arbeitgeber ruft die Daten dort digital ab.
Im Datensatz enthalten sind:
- Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit,
- Datum der ärztlichen Feststellung,
- Name und Geburtsdatum der versicherten Person.
Nicht übermittelt werden die Diagnose oder die Identität des Arztes.
Das kann bei Online-AUs zu einem Transparenzproblem führen:
Der Arbeitgeber kann die ausstellende Praxis nicht unmittelbar erkennen,
insbesondere wenn es sich um telemedizinische Anbieter außerhalb der gesetzlichen Regelversorgung handelt.
Dieser Umstand allein macht eine digitale AU-Übermittlung jedoch nicht unwirksam;
er kann lediglich Anlass zu Rückfragen geben, wenn Zweifel an der Authentizität bestehen.
3. Müssen Arbeitgeber Online-AUs akzeptieren?
Eine Online-Krankschreibung ist nicht automatisch unwirksam.
Sie stellt grundsätzlich ein ärztliches Zeugnis im Sinne des § 5 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) dar
und ist anzuerkennen, solange keine konkreten Zweifel bestehen.
Arbeitgeber dürfen jedoch die Beweiskraft der AU bestreiten,
wenn objektive Umstände berechtigte Zweifel begründen – etwa:
- kein nachweisbarer Arzt-Patienten-Kontakt,
- auffällig viele oder kurzfristige digitale Krankmeldungen,
- ungewöhnliche Dauer oder zeitliche Auffälligkeiten (z. B. ausschließlich Montag bis Freitag).
4. Handlungsmöglichkeiten bei Zweifeln
Bestehen berechtigte Zweifel an der Echtheit oder inhaltlichen Richtigkeit einer Online-AU,
kann der Arbeitgeber folgende Schritte ergreifen:
- Gespräch mit dem Arbeitnehmer: zur Klärung der Umstände und gegebenenfalls Vorlage weiterer Nachweise.
- Betriebsarzt hinzuziehen: eine betriebsärztliche Untersuchung kann zur Überprüfung angeordnet werden.
- Lohnfortzahlung prüfen: bei erheblichen Zweifeln darf diese vorläufig zurückgehalten werden.
Arbeitgeber sollten dabei stets verhältnismäßig handeln und den Datenschutz wahren.
Die bloße Nutzung eines Online-Portals rechtfertigt noch keine arbeitsrechtliche Sanktion.
5. Aktuelle Rechtsprechung
Das Landgericht München I hat am 2. Juni 2025
(Az. 4 HK O 11377/24) entschieden, dass eine
ausschließlich schriftlich durchgeführte Anamnese ohne persönlichen oder
video-basierten Kontakt nicht dem fachlichen Standard genügt.
Eine so erstellte ärztliche Einschätzung der Arbeitsunfähigkeit könne daher ihre Beweiskraft verlieren.
Hinweis: Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Es bleibt abzuwarten, ob eine Berufung beim Oberlandesgericht diese Sichtweise bestätigt oder einschränkt.
Das Urteil betrifft ausschließlich die Beweiskraft im arbeitsrechtlichen Kontext,
nicht die grundsätzliche Zulässigkeit telemedizinischer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen.
Es verdeutlicht jedoch den Trend zur qualitätsgesicherten Telemedizin:
Nur echte ärztliche Interaktion gewährleistet Rechts- und Vertrauenssicherheit.
6. Fazit und Empfehlung
Elektronische Krankmeldungen sind ein legitimer Bestandteil moderner Arbeitsprozesse.
Sie sind rechtlich zulässig, sofern sie nach ärztlichen Standards erfolgen.
Arbeitnehmer sollten darauf achten, nur Anbieter zu wählen,
die Video- oder Telefonsprechstunden anbieten.
Arbeitgeber wiederum sollten bei Zweifeln kommunikativ statt konfrontativ handeln
und auf Transparenz setzen.
Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) vereinfacht Verwaltungswege,
ersetzt aber nicht die Sorgfaltspflicht aller Beteiligten.
online-krankschreibung.com informiert neutral über den rechtlichen Rahmen
und verweist ausschließlich auf ärztlich geprüfte Anbieter.
Häufige Fragen zur Rechtssicherheit
Juristisch geprüft, transparent erklärt – ohne Werbung, aber mit Klartext.
Ist eine Online-Krankschreibung in Deutschland rechtlich gültig?
Ja – wenn sie von einer approbierten Ärztin oder einem approbierten Arzt über einen zugelassenen Telemedizin-Anbieter ausgestellt wird
und die ärztliche Berufsordnung eingehalten wird. Die elektronische AU wird elektronisch an die Krankenkasse übermittelt, der Arbeitgeber ruft sie dort ab.
Lies mehr über den Ablauf der Online-Krankschreibung.
Wer darf eine digitale Krankschreibung ausstellen?
Nur in Deutschland zugelassene, approbierte Ärztinnen und Ärzte. Sie müssen nach § 7 Abs. 4 MBO-Ä handeln und prüfen, ob eine Fernbehandlung medizinisch vertretbar ist.
Alle seriösen Telemedizin-Anbieter arbeiten ausschließlich mit solchen Ärztinnen und Ärzten zusammen.
Wie wird sichergestellt, dass die ärztliche Prüfung korrekt erfolgt?
Vor Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung prüfen Ärztinnen und Ärzte alle übermittelten Angaben sorgfältig.
Nur wenn die Befundlage eindeutig ist, erfolgt die Ausstellung.
Bei Unklarheiten kann eine Rücksprache per Video oder Telefon stattfinden.
Wird die digitale AU von allen Krankenkassen anerkannt?
Ja. Die elektronische Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) ist bundesweit im Kassensystem etabliert und wird von allen gesetzlichen Krankenkassen akzeptiert.
Arbeitgeber rufen sie direkt bei der jeweiligen Krankenkasse ab.
Nähere Informationen findest du unter Pflichten für Arbeitnehmer.
Wie steht es um Datenschutz und ärztliche Schweigepflicht?
Seriöse Telemedizin-Plattformen erfüllen alle Anforderungen der DSGVO.
Die Kommunikation erfolgt ausschließlich über verschlüsselte Verbindungen.
Ärztliche Schweigepflicht und Datensicherheit bleiben vollständig gewahrt.
Mehr Details im Datenschutzbereich.
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